Kann bei teilweiser Veräußerung einer Arztpraxis der Gewinn ermäßigt besteuert werden?

Wird ein Teil einer Arztpraxis verkauft, kommt grundsätzlich für den Veräußerungsgewinn eine ermäßigte Besteuerung in Betracht. Dabei müssen jedoch bestimmte Punkte beachtet werden. Welche das sind, stellt das Finanzgericht München in seinem Urteil dar.

 

Hintergrund

Die Klägerin war als Ärztin selbstständig tätig. Zusammen mit einem weiteren Berufsträger betrieb sie eine Praxisgemeinschaft mit jeweils eigener Arztpraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit jeweils hälftiger Beteiligung. Die Klägerin war zusätzlich als Prüfärztin für Medikamentenstudien (Testung von noch nicht zugelassenen Medikamenten) selbstständig tätig (Prüfarzttätigkeit). Über die GbR erfolgte der wirtschaftliche Betrieb der beiden Arztpraxen, insbesondere die Anmietung und Einrichtung der Praxisräume sowie die Einstellung des Personals.

Im Streitjahr veräußerte die Klägerin ihre Arztpraxis und ihren Anteil an der GbR an einen Berufskollegen, der die bisherige Gemeinschaftspraxis fortführte. Die Prüfarzttätigkeit der Klägerin war von den Regelungen des Veräußerungsvertrags ausdrücklich ausgenommen. Nach dem Verkauf erzielte die Klägerin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus in der vom Erwerber weitergeführten Praxis als angestellte Ärztin sowie Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus ihrer weiterhin in den Räumlichkeiten der GbR ausgeübten Prüfarzttätigkeit.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin u.a. aus der Veräußerung ihrer Praxis einen Veräußerungsgewinn. Dieser sollte ermäßigt besteuert werden. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass der Veräußerungsgewinn als laufender Gewinn zu besteuern ist. Insbesondere lag kein eigener und entsprechend steuerlich begünstigt veräußerbarer Teilbetrieb vor.

 

Entscheidung

Die zulässige Klage wies das Finanzgericht als unbegründet zurück, da die vorliegende Veräußerung nicht die Tatbestandsvoraussetzungen der Veräußerung eines Vermögens in Gestalt eines ganzen Betriebes erfüllt. Die Klägerin hatte nicht ihre gesamte freiberufliche Tätigkeit in vollem Umfang aufgegeben. Vielmehr nahm sie die von ihr ausgeübte Prüfarzttätigkeit im Veräußerungsvertrag ausdrücklich aus und behielt sich deren weitere Ausübung vor.

Die von der Klägerin nicht aufgegebene Prüfarzttätigkeit war nach der Überzeugung des Gerichts nicht unwesentlich. Aus der von der Klägerin über den Verkaufszeitpunkt hinaus fortgeführten Prüfarzttätigkeit erzielte sie deutlich mehr als 10 % ihrer jeweiligen Jahreseinnahmen.

Die Veräußerung und Übertragung der Praxis durch die Klägerin erfüllt auch nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für eine lediglich ermäßigt zu besteuernde Veräußerung eines Teilbetriebs. Eine solche Teilpraxisveräußerung bzw. -aufgabe setzt einen mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteten, organisatorisch in sich geschlossenen und für sich lebensfähigen Teil der Gesamtpraxis voraus. Dabei kann die erforderliche Selbstständigkeit nur dann angenommen werden, wenn sich die freiberufliche Arbeit entweder auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten in den Teilpraxen mit zugehörigen unterschiedlichen Patientenkreisen erstreckt oder bei gleichartiger Tätigkeit in den Teilpraxen in voneinander getrennten örtlich abgegrenzten Bereichen ausgeübt wird.

Übt ein Freiberufler 2 wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten aus, setzt die Annahme zweier Teilpraxen das Vorliegen einer gewissen organisatorischen Verselbständigung der verschiedenen Praxisteile voraus. Ob ein Betriebs- bzw. Praxisteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbstständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beim Veräußerer zu entscheiden. Bei dieser Gesamtwürdigung sind die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Abgrenzungsmerkmale – z. B. räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, eigener Wirkungskreis, gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung usw. – zu beachten. Diese Merkmale brauchen zwar nicht sämtlich vorzuliegen, der Teilbetrieb erfordert allerdings eine gewisse Selbstständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb.

Die von der Klägerin in der Praxis der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Ärztin erfüllte nach der Überzeugung des Gerichts nicht diese Voraussetzungen für einen entsprechenden Teilbetrieb. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Veräußerungsvertrags bestanden nicht 2 von der Klägerin im Rahmen ihrer gesamten selbstständigen Arbeit betriebene Teilpraxen. Zwar handelt es sich bei den beiden Tätigkeiten der Klägerin um 2 wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten. Diese beiden Tätigkeiten betrafen auch jeweils unterschiedliche Patientenkreise, zum einen die Patienten der Praxis und zum anderen die Studienauftraggeber. Es wurden jedoch im Hinblick auf die Zuordnung der Betriebsausgaben Artpraxis und Prüfarztpraxis keine getrennten Gewinnermittlungen durchgeführt. Auch gab es keine Hinweise, die für eine organisatorische Selbstständigkeit der beiden Teilbereiche sprachen.