Unternehmer können die Kleinunternehmerregelung nur in Anspruch nehmen, wenn der Gesamtumsatz eine bestimmte Grenze nicht übersteigt. Fraglich war bisher, wie dieser Umsatz zu berechnen ist, wenn der Unternehmer die sog. Differenzbesteuerung anwendet. Der Europäische Gerichtshof hat das jetzt geklärt.
Hintergrund
Der Kläger führte steuerbare, der Differenzbesteuerung unterliegende Umsätze im Rahmen eines Gebrauchtwagenhandels aus. Die in den Jahren 2009 und 2010 erzielten Umsätze betrugen bei einer Berechnung nach vereinnahmten Entgelten 27.358 EUR bzw. 25.115 EUR. Die Bemessungsgrundlage der jeweiligen Umsätze ermittelte der Kläger in seinen Umsatzsteuererklärungen für 2009 und 2010 nach dem Differenzbetrag (Handelsspanne) mit 17.328 EUR und 17.470 EUR. Er nahm deshalb an, dass er Kleinunternehmer war.
Für das Jahr 2009 stellte die Finanzverwaltung in den Umsatzsteuerrichtlinien hinsichtlich der Ermittlung des für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung maßgeblichen Gesamtumsatzes in Fällen der Differenzbesteuerung ebenfalls auf die Handelsspanne ab. Seit dem Jahr 2010 wird jedoch auf die vereinnahmten Entgelte abgestellt.
Deshalb lehnte das Finanzamt die Anwendung der Kleinunternehmerregelung für das Jahr 2010 ab, da der Gesamtumsatz des Klägers im vorangehenden Kalenderjahr 2009 gemessen an den vereinnahmten Entgelten über der Grenze von 17.500 EUR lag.
Entscheidung
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass für die Bestimmung des Gesamtumsatzes nach der Kleinunternehmerregelung bei einem differenzbesteuernden Unternehmer von dem Gesamtbetrag der von einem Wiederverkäufer ausgeführten Lieferungen auszugehen ist und nicht von der Handelsspanne der Umsätze.
Die Sonderregelungen für Kleinunternehmen und für die Differenzbesteuerung sind zwei voneinander unabhängige autonome Sonderregelungen. Wird in einer von ihnen nicht auf die Tatbestandsmerkmale und Begriffe der anderen Regelung Bezug genommen, ist der Inhalt der einen grundsätzlich zu beurteilen, ohne dass der Inhalt der anderen berücksichtigt werden muss.
Auch die Entstehungsgeschichte der Kleinunternehmerregelung bestätigt nach dem Urteil, dass der Begriff der “von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erzielten Differenz (Handelsspanne)” keinen Einfluss darauf haben kann, wie der Begriff “Umsatz” im Rahmen der Sonderregelung für Kleinunternehmen auszulegen ist. Die Kleinunternehmerregelung gab es bereits, als die Differenzbesteuerung eingeführt wurde.
Würden die über die Handelsspanne hinausgehenden vereinnahmten Entgelte bei der Ermittlung des Umsatzes für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nicht berücksichtigt, könnten nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs Unternehmen, die einen hohen Umsatz erzielen und eine geringe Handelsspanne haben, unter die Kleinunternehmerregelung fallen und dadurch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil erhalten.