Tarifbegünstigte Veräußerung: Wiederaufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit ist schädlich

Voraussetzung für die tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis ist, dass der Steuerpflichtige die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Dazu gehört auch, dass der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit für eine gewisse Zeit einstellen muss.

 

Hintergrund

Der Kläger war als Steuerberater freiberuflich in einer Einzelpraxis tätig. Die Praxisräume lagen seit dem 1. April 2004 in B-C. Mit Vertrag vom 24. Januar 2008 veräußerte der Kläger seine Steuerberatungskanzlei mit Wirkung zum 1. April 2008 an die in B-D ansässige Steuerberatungsgesellschaft S-KG. Gegenstand des Kaufvertrags war das mobile Praxisinventar und der gesamte Mandantenstamm. Der Kläger verpflichtete sich, an der Mandatsüberleitung mitzuwirken und neue Mandate für die S-KG zu akquirieren. Gleichzeitig schloss er mit der S-KG eine bis zum 31. Dezember 2010 befristete freiberufliche Tätigkeitsvereinbarung, nach der er seine bisherigen und neu akquirierten Mandanten im Namen und für Rechnung der S-KG beraten sollte.

Zum 28. Februar 2010 gab der Kläger seine Tätigkeit für die S-KG auf und nahm wieder eine Beratungstätigkeit im Rahmen einer Einzelpraxis auf. Den wesentlichen Teil seiner ehemaligen Mandanten (ca. 50 bis 60 % des ehemaligen Umsatzvolumens) nahm er mit, das vor der Praxisübertragung beschäftigte Personal stellte er teilweise wieder ein.

Das Finanzamt kam deshalb zu dem Ergebnis, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Steuerberatungskanzlei nicht begünstigt war.

Das Finanzgericht entschied, dass die ursprüngliche Übertragung der wesentlichen Praxisgrundlagen sich im Nachhinein als eine bloße Unterbrechung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit darstellte.

Entscheidung

Die Revision des Klägers vor dem Bundesfinanzhof hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass der Kläger nicht die Voraussetzungen für eine tarifbegünstigte Veräußerung seiner Steuerberatungskanzlei erfüllte. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die Veräußerung einer Praxis u. a. voraus, dass der Steuerpflichtige seine freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellt.

Wird der Veräußerer als Arbeitnehmer oder als freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig, ist dies grundsätzlich unschädlich. Das gilt auch, wenn der Steuerpflichtige seine bisherige freiberufliche Tätigkeit nur in einem geringen Umfang fortführt.

Nimmt der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit jedoch nach einer gewissen Zeit wieder auf, kann dies schädlich sein – selbst wenn die Wiederaufnahme zum Zeitpunkt der Übertragung der Praxis nicht geplant war. Maßgebend ist allein, ob es objektiv zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen Praxisgrundlagen gekommen ist. Im vorliegenden Fall war es wegen der Wiedereröffnung der Einzelpraxis nach 22 Monaten nicht zu einer definitiven Übertragung des Mandantenstamms auf den Erwerber gekommen.