Liegt noch eine einheitliche Erstausbildung vor, wenn das Kind in Vollzeit arbeitet und es die weiteren Ausbildungsmaßnahmen lediglich nebenher als Weiterbildung absolviert? Nein, urteilte der Bundesfinanzhof, und präzisiert die Voraussetzungen, unter denen noch eine einheitliche Ausbildung angenommen werden kann.
Hintergrund
Die Tochter T schloss ihr Studium mit der Bachelorprüfung im September 2015 ab. Bereits im August 2015 vereinbarte sie mit ihrem Ausbildungsbetrieb ein Vollarbeitsverhältnis ab Oktober 2015. Im September begann sie ein 5-semestriges Masterstudium. Die Vorlesungen fanden abends und samstags statt. Die Zulassung setzt u.a. eine aktuelle Berufstätigkeit voraus.
Die Familienkasse lehnte die weitere Kindergeldfestsetzung ab Oktober 2015 mit der Begründung ab, dass T mit dem Bachelor bereits ihre Erstausbildung abgeschlossen hatte und während des Masterstudiums einer für den Kindergeldanspruch schädlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen war.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Es sah das Masterstudium noch als Teil einer einheitlichen Erstausbildung, sodass es auf den Umfang der daneben ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht ankam.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof kam dagegen zu dem Ergebnis, dass die Erstausbildung mit dem Bachelor-Studium abgeschlossen war.
Zur Begründung führte er aus: Für volljährige Kinder, die sich noch in Berufsausbildung befinden und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besteht nach dem Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums ein Kindergeldanspruch nur dann, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die regemäßig mehr als 20 Wochenstunden umfasst. Liegen mehrere Ausbildungsabschnitte vor, können diese zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Die einzelnen Ausbildungsabschnitte müssen sich als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Dementsprechend fehlt es jedenfalls an einer Ausbildungseinheit, wenn der zweite Ausbildungsabschnitt eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder wenn das Kind nach dem ersten Abschnitt eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn des weiteren Abschnitts dient.
In Fortentwicklung dieser Grundsätze kann es nach der Erlangung eines ersten Abschlusses an einer einheitlichen Erstausbildung fehlen, wenn das Kind eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Für eine lediglich berufsbegleitende Weiterbildung, d.h. für den Abschluss der Erstausbildung, kann insbesondere sprechen:
- vollzeitige oder nahezu vollzeitige Beschäftigung
- das Arbeitsverhältnis setzt den ersten Berufsabschluss voraus
- die Berufstätigkeit passt sich nicht dem jeweiligen Ausbildungsplan an, sondern die Ausbildung findet neben der Berufstätigkeit statt
- die Ausbildungsmaßnahmen und die Berufstätigkeit sind zeitlich und inhaltlich nicht aufeinander abgestimmt
Im vorliegenden Fall war nicht klar, ob die Ausbildung oder die Berufstätigkeit im Vordergrund stand. Das Finanzgericht muss nun prüfen, ob die von T aufgenommene Beschäftigung den erworbenen Bachelorabschluss voraussetzte. Sollte das der Fall sein, wäre dies ein Indiz dafür, dass die Berufstätigkeit in den Vordergrund gerückt ist und weitere Ausbildungsmaßnahmen lediglich der beruflichen Weiterbildung dienten. Für eine im Vordergrund stehende Berufstätigkeit spricht hier auch, dass das Masterstudium nicht auf das Arbeitsverhältnis abgestimmt, sondern am Abend und am Wochenende stattfand. Der Bundesfinanzhof verwies den Fall zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Finanzgericht zurück.