Wenn der Vater das Konto seiner minderjährigen Tochter zu Steuerhinterziehungen nutzt, haftet die Tochter nicht für die Steuerschulden des Vaters – vorausgesetzt, die Tochter hatte keinen Einfluss auf das Verhalten des Vaters.
Hintergrund
Im Jahr 2011 eröffnete der Vater gemeinsam mit der Mutter für die damals 11-jährige Tochter ein Girokonto bei einer Bank.
Die Eltern waren jeweils allein verfügungsberechtigt. In den Jahren 2013 bis 2015 befand sich eine zum Konto gehörende Bankkarte ausschließlich im Besitz des Vaters. In diesem Zeitraum flossen Einnahmen aus dem Baugeschäft des Vaters in Höhe von ca. 91.000 EUR auf das Konto. Der Vater führte über das Konto Überweisung aus und ließ sich häufiger Beträge in bar auszahlen.
Nachdem das Finanzamt 2016 von dem Konto erfahren hatte, nahm es im Jahr 2017 die inzwischen volljährige Tochter auf Zahlung von 23.000 EUR Steuerschulden des Vaters in Anspruch.
Gegen den entsprechenden Duldungsbescheid erhob die Tochter Klage.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts wusste die Klägerin weder, dass die Zahlungsunfähigkeit ihres Vaters drohte, noch, dass die Rechtshandlungen ihres Vaters Gläubiger benachteiligen würden. Sie erhielt von dem gesamten Sachverhalt erst nach erfolgter Pfändung ihres Kontos durch die Finanzbehörde Kenntnis davon. Da der Vater im Besitz der Bankkarte war und selbst auch die Kontoauszüge ausdruckte, konnte nicht unterstellt werden, dass die Klägerin schon früher Kenntnis über diese Vorgänge hatte.
Eine Zurechnung der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vaters kam nach dem Urteil des Finanzgerichts ebenfalls nicht in Betracht. Eine minderjährige Person, die noch nicht selbstbestimmt handeln kann, sondern in vollem Umfange dem Willen ihres gesetzlichen Vertreters unterworfen ist, bedarf des besonderen rechtlichen Schutzes. Deshalb wirken Kenntnisse eines gesetzlichen Vertreters, der sein Vertretungsrecht missbraucht, nicht zum Nachteil des Kindes. Ein minderjähriges Kind ist nicht in der Lage, auf die gesetzliche Vertretung seiner Eltern einzuwirken. Eine unkontrollierte Entscheidungsbefugnis der Eltern kann sich in hohem Maße nachteilig für ein Kind auswirken, wenn die Eltern nicht bereit sind, ihrer besonderen Verantwortung im Rahmen der Vermögenssorge zu genügen.
Diese Grundsätze des Bundesgerichtshofs gelten nach Ansicht der Finanzrichter auch in diesem Fall. Der Vater hatte unbegrenzte Vertretungsmacht und hat die ihm zustehende Verfügungsbefugnis über das Girokonto der Klägerin ohne Rücksicht auf die für die Klägerin damit verbundenen Rechtsfolgen zweckentfremdet. Die Klägerin war nicht in der Lage, das eigenmächtige und rücksichtslose Verhalten ihres Vaters zu beeinflussen.