Findet der Verlust des Eigentums am Grundstück ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen statt, liegt kein privates Veräußerungsgeschäft vor. Eine Enteignung innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums ab der Anschaffung ist deshalb nicht steuerpflichtig.
Hintergrund
X war seit Anfang der 1990er Jahre hälftiger Miteigentümer an einem unbebauten Grundstück. Im Jahr 2005 erwarb er die andere Hälfte dazu. 2008 führte die Stadt ein Bodensondierungsverfahren durch. Für das Grundstück erließ sie einen Sondierungsbescheid nach dem Bodensondierungsgesetz, mit dem das Eigentum an dem Grundstück auf die Stadt überging. X erhielt eine Entschädigung von 600.000 EUR für das gesamte Grundstück.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Enteignung des 2005 erworbenen Miteigentumsanteils in 2008, da sie innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums ab dem Erwerb erfolgte, ein privates Veräußerungsgeschäft darstellte, das zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn führte. Dementsprechend setzte das Finanzamt für die Jahre, in denen die Entschädigungszahlungen zuflossen, einen Veräußerungsgewinn an (2009: 175.000 EUR, 2012: 43.000 EUR).
Die Klage des X vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Dieses entschied, dass hier kein privates Veräußerungsgeschäft vorlag, da der Eigentumsübergang nicht auf dem Willen des Steuerpflichtigen beruhte, sondern auf einem staatlichen Hoheitsakt.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof urteilte, dass eine Enteignung keine Veräußerung darstellt, und bestätigte damit das Finanzgerichtsurteil. Anschaffung und Veräußerung müssen wesentlich vom Willen des Steuerpflichtigen abhängen. Bei einer Enteignung oder Umlegung erfolgt der Eigentumswechsel jedoch ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen.
Ein Veräußerungs”geschäft” ist ein von einem schuldrechtlichen, dem rechtsgeschäftlichen Willen des Steuerpflichtigen unterworfener Vertrag. Ein solcher liegt im Fall einer Enteignung – d. h. der Entziehung von Eigentum durch staatlichen Hoheitsakt – nicht vor. Vielmehr führt die Enteignung zu einem Eigentumsübergang gegen oder ohne den Willen des Eigentümers. Eine zwangsweise vorgenommene “Anschaffung” und “Veräußerung” reichen nicht aus, um eine wirtschaftliche Betätigung anzunehmen.
Im vorliegenden Fall lag deshalb kein privates Veräußerungsgeschäft vor, sodass X auch keinen etwaigen “Veräußerungs”gewinn versteuern musste.