Wann Eltern Kindergeld auch für mehr als 6 Monate rückwirkend verlangen können

Bei Kindergeldanträgen, die seit dem 1. Januar 2018 bei der Familienkasse eingehen, gibt es Kindergeld rückwirkend nur noch für die letzten 6 Monate. Ist jedoch das Kindergeld bestandskräftig für mehr als 6 Monate rückwirkend festgesetzt worden, muss es trotzdem ausgezahlt werden.

 

Hintergrund

Der Kläger hatte mit Antrag vom 2. Januar 2018 Kindergeld für Juli bis Dezember 2017 beantragt. Dieses wurde i. H. v. 1.346 EUR von der Familienkasse durch Bescheid vom 17.1.2018 festgesetzt und umgehend ausgezahlt. Mit Bescheid vom 12. März 2018 setzte die Familienkasse auch das Kindergeld für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2017 i. H. v. insgesamt 6.608 EUR fest, verfügte aber gleichzeitig im selben Bescheid, dass sich hieraus keine Nachzahlung des Kindergeldes ergab (Nichtauszahlungsverfügung). Denn auf Grund der gesetzlichen Änderung können Anträge, die nach dem 31. Dezember 2017 eingehen, rückwirkend nur noch zu einer Nachzahlung für die letzten 6 Kalendermonate vor Eingang des Antrages bei der Familienkasse führen.

Der Kläger verlangt jedoch die Auszahlung des Kindergeldes auch für den Zeitraum August 2014 bis Juni 2017.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass § 66 Abs. 3 EStG einer Auszahlung des Kindergeldes nicht entgegensteht, wenn das Kindergeld für Zeiträume rückwirkend festgesetzt wurde, die mehr als 6 Monate vor dem Monat der Antragstellung liegen.

Denn § 66 Abs. 3 EStG ist nach Ansicht der Richter dem Festsetzungsverfahren und nicht dem Erhebungs- bzw. Auszahlungsverfahren zuzuordnen. Zwar sollte nach der Gesetzesbegründung die “Auszahlung” des Kindergeldes eingeschränkt, der “materiell-rechtliche Anspruch” aber unberührt bleiben. Für sich genommen könnte das dafür sprechen, dass der Gesetzgeber die Regelung tatsächlich dem Erhebungs- bzw. Auszahlungsverfahren zuordnen wollte. Daneben wird die Neuregelung des § 66 Abs. 3 EStG aber als Abweichung “von der regulären Festsetzungsfrist von 4 Jahren” bezeichnet. Das wiederum spricht für ein Verständnis der Norm als Regelung im Festsetzungsverfahren.

Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich darüber hinaus, dass der Gesetzgeber mit der von ihm gewählten Formulierung (“gezahlt” statt “ausgezahlt”) die Regelung in § 66 Abs. 3 EStG als Regelung im Festsetzungsverfahren qualifiziert hat.

Das Gericht kam deshalb zu dem Ergebnis, dass die Nichtauszahlungsverfügung der Familienkasse rechtswidrig war. Denn § 66 Abs. 3 EStG bietet keine Rechtsgrundlage dafür, Kindergeldberechtigten die Auszahlung bereits bestandskräftig festgesetzter Kindergeldansprüche zu verweigern. Vielmehr hätte die Familienkasse § 66 Abs. 3 EStG bereits im Festsetzungsverfahren berücksichtigen müssen. Stattdessen setzte sie das Kindergeld entgegen § 66 Abs. 3 EStG nicht nur für die letzten 6 Monate fest, sondern auch für die weiter zurückliegenden Monate August 2014 bis Juni 2017. § 66 Abs. 3 EStG stand der Auszahlung des Kindergeldes auf Grundlage dieser Festsetzung nicht entgegen.