Ein Unternehmer muss für den Vorsteuerabzug normalerweise die gezahlte Umsatzsteuer durch Vorlage von Rechnungen nachweisen. Der Europäische Gerichtshof musste nun entscheiden, ob auch ohne Rechnungen ein Vorsteuerabzug zulässig sein kann.
Hintergrund
Der rumänische Kläger errichtete eine Wohnanlage mit insgesamt 90 Apartments, die in der Zeit zwischen Juni 2006 und September 2008 fertiggestellt wurden. Da die vom Kläger getätigten Umsätze im Laufe des Monats Juni 2006 die rumänische Kleinunternehmergrenze überstiegen, wurde er rückwirkend beginnend mit dem 1.1.2006 umsatzsteuersteuerpflichtig. Die Finanzbehörde setzte für den Zeitraum vom 1.8.2006 bis zum 31.12.2009 Umsatzsteuer sowie Verspätungszinsen fest.
Im Einspruchsverfahren beantragte der Kläger den Vorsteuerabzug. Er war jedoch nicht mehr im Besitz der erforderlichen Originalrechnungen.
Der Kläger machte geltend, dass er ursprünglich nicht verpflichtet war, Unterlagen bezüglich getätigter Investitionen aufzubewahren. Außerdem hatte er als Begünstigter für sämtliche Lieferungen, die von den Lieferern der für die Errichtung der Gebäude erforderlichen Gegenstände und Dienstleistungen erbracht worden seien, Umsatzsteuer gezahlt. Die Steuerbehörde konnte die Zahlung dieser Beträge nicht außer Acht lassen und musste sie bei der Festlegung seiner steuerlichen Pflichten berücksichtigen. Diese hätten mangels Originalrechnungen durch ein Sachverständigengutachten bestimmt werden können.
Entscheidung
Der Europäische Gerichtshof folgte den Argumenten des Klägers nicht. Nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie und nach dem Neutralitätsgrundsatz kann in Fällen wie dem vorliegenden ein Unternehmer, der nicht in der Lage ist, durch Vorlage von Rechnungen oder anderen Unterlagen den Betrag der von ihm gezahlten Vorsteuer nachzuweisen, nicht allein auf der Grundlage einer Schätzung in einem vom nationalen Gericht angeordneten Sachverständigengutachten das Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen. Ein solches Gutachten ermittelt allein die abzugsfähige Vorsteuer auf der Grundlage des Umfangs der Arbeiten bzw. der Arbeitsleistung, die der Unternehmer vorgenommen bzw. in Anspruch genommen hat und die zur Errichtung der von ihm verkauften Gebäude erforderlich gewesen sind. Dadurch kann jedoch nicht nachgewiesen werden, dass die Steuer auf die Eingangsumsätze auch tatsächlich gezahlt wurde.
Vielmehr muss der Unternehmer durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände geliefert oder Dienstleistungen erbracht haben, die seinen der Umsatzsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Umsatzsteuer tatsächlich entrichtet hat.